Samstag, 26. April 2014

Crossing Europe: Under the Skin von Jonathan Glazer



Wer sich an den merkwürdigen Abschnitt in “Mars Attacks!” von Tim Burton erinnert, indem ein als blonde Sexbombe verkleideter Alien sich in die Welt der Menschen schleicht, der wird sich dramaturgisch sehr schnell zurechtfinden in einer weiteren psychedelischen Strangeness von Jonathan Glazer, der bereits mit „Sexy Beats“ und „Birth“ zwei eigenwillige Filme machte.
 

In „Under the Skin“ treffen sich rund um einen Casting-Coup, der Scarlett Johansson nicht nur zurück zu alter Größe führt, sondern sie in einer reflexiven Geste fast neu erfindet, eine durchstilisierte Komposition aus Bildern und Tönen mit einem sozialen Realismus, der sich in den gezeichneten Gesichtern der schottischen Arbeiter und den dreckigen Aufnahmen mit versteckter Kamera im Film wiederspiegelt. Der Ästhetizismus des Musikvideo-Regisseurs erinnert in seiner Klarheit an Anton Corbijn, der in seinem „The American“ ebenfalls eine Bildtiefe im europäischen Hinterland (dort war es Süditalien, hier ist es Schottland) entdeckte, die man so nicht kannte. Ceylans Anatolien hallt auch durch die vielen nächtlichen Fahrten über einsame bergige Landstraßen.

Glazer erzählt von Körperlichkeit, vom Anderssein, von Deformationen.   Er braucht dafür nur wenige Worte, weil diese spürbare Entfremdung keine Worte benötigt. Das spannende dabei ist, dass der Film praktisch durchgehend aus der erzählten, aber viel wichtiger erlebten Sicht eines Aliens betrachtet wird. Garniert mit einem Horror der unangenehmen Szenen und offensichtlich SciFi entsteht so ein existentielles Drama, indem das Menschsein hinterfragt wird. Alles wirkt immer ein wenig fake in dieser Welt, in der der Alien mit einem großen Sprinter nachts Männer aufreißt, um sie in elegant choreographierten Sequenzen dem schwarzen Nichts auszuliefern, bis sie im wahrsten Sinne des Wortes platzen.


Dabei scheut Glazer kein bisschen davor zurück, bewusst das Darstellbare auszureizen. Von einem sexuellen Flirt mit einem entstellten Mann bis zu einem schreienden Baby, das alleine am Strand zurückgelassen wird. Der neugierige Pragmatismus des Aliens, den Johansson niemals stereotyp wirken lässt, leitet die Moral des Films. Das Menschliche, das die Figur nach und nach erlebt findet Anklänge im menschlichen Kreislauf, von der Geburt, über die Entjungferung oder im Spiegelstadium. (schöne Reihenfolge)

„Under the Skin“ findet in den geometrischen Grenzen der Leinwand statt. Glazer hat sich genau Gedanken über Dunkelheit/Licht oder Formen gemacht. Schon in seiner ersten Einstellung kommt ganz langsam ein weißes Licht, das zunächst nur ein Punkt ist, auf uns zu. Immer wieder kreuzen Figuren horizontal oder vertikal das Bild. Der Bildkader verstärkt die Fremdheit, statt sie nur einzugrenzen. Erst mit langsamen Schwenks oder spontanen Blicken beginnt man, die fließenden Grenzen zu sehen. Unterstützt wird das Ganze von einem eigenwilligen, tranceartigen Elektrosound von Micachu. 


„Under the Skin“ versteht Film als Performance. Damit sind nicht nur die Choreographien von Bild und Schauspiel gemeint, sondern auch die Methode mit einer versteckten Kamera zu drehen, die den Alien bei seiner Begegnung mit der Außenwelt begleiteten. So verfließen auch hier die Grenzen zwischen Inszenierung und Realität, insbesondere, da das einzige bekannte Gesicht im Film das Fremdeste ist. Dieser Film passiert im Moment des Geschehens, er kommt aus der Dunkelheit ans Licht.

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